Mit 5.642 ist der Elbrus der höchste Berg Europas und zählt damit zu den Seven Summits. Ich selbst habe den Berg im Juli 2018 bestiegen und zeige euch in meinem ausführlichen Tourenbericht wie ihr den Normalweg in klassischen sieben Tagen zum Gipfel bewältigt – vom Ankommen in Russland über die ersten Akklimatisierungs-Tour bis hin zum Gipfel.

1.Tag: Anreise ins Baksan Tal, Tscheget

Nach knapp 20h Anreise bin ich in dem Mini-Dörfchen Tscheget angekommen – dem Ausgangspunkt meiner Elbrusbesteigung. Gelandet bin ich auf dem Flughafen der Stadt „Mineralnye Vody“, was soviel heißt wie „Mineralwasser“.

Ein entspannter erster Tag: Auf Erkundungstour durchs Baksan Tal.

Mit dem Bus geht es gute drei Stunden weiter über das Baksan Tal nach Tscheget ins Hotel. Der Fluss, der Anfangs neben der Straße verläuft, ist wie ein riesiger reißender Strom aus Schlamm und Wasser. Er sieht sehr bedrohlich aus. Nachdem mich das Reisebüro angerufen hat, dass es eventuell Komplikationen mit meiner Reise geben würde, war ich zunächst schockiert. Durch den starken Regenfall der vergangenen Tage kam es wohl zu Überschwemmungen, die wiederum dazu führten, dass eine wichtige Anfahrtsbrücke zerstört wurde. Dies erwies sich jedoch als weniger katastrophal als zuerst vermutet. Die Brücke steht noch – viel beunruhigender ist die Wetterprognose. Denn sollte es nochmal so stark regnen muss die Tour abgeblasen werden. Nachdem ich die Elbrusbesteigung nun bereits einmal verschieben musste und noch vor wenigen Woche eine Stauchung am Zeh hatte, war das alles keine gute Neuigkeit. Aber Blick nach vorn. Jetzt heißt es erstmal ne Runde pennen, Ausrüstungs-Check und das Team kennenlernen – das übrigens sehr international ist: drei Deutsche, zwei Dänen, zwei Inder, Ein Amerikaner, eine Chinesin.

2.Tag: Höhenluft schnuppern: Eingehtour zum Mount Tscheget, 3.450m

Nach einem kurzen Frühstück gehts mit dem Sessellift um 10Uhr auf 2.700m und von dort zu Fuß Richtung Mount Tscheget, 3.450m. Den Ein-Mann-Sessellift, der uns weiter führen würde, lassen wir aus, schließlich wollen wir uns warmlaufen und ein paar Höhenmeter schaffen. Nach dem Regenschauer von gestern, haben wir dagegen heute fantastisches Bergwetter – zwar bewölkt aber angenehme Temperaturen.

Etwas über 3.000m machen wir eine Pause und genießen das tolle Panorama über die grünen Wiesen und das Baksam Tal – für einen Moment kommt die Sonne heraus und die Wolkendecke gibt die Sich frei. Die hiesigen bunte Pflanzen geben einen schönen, bunten Kontrast zu den kräftig grünen Wiesen.

Kurz unterhalb des Tscheget Gipfels: Blick auf das Baksan Tal und das Dörfchen Tscheget

Über uns klappert der Sessellift. Kaum Leute. Wir sind quasi allein und passieren wenig später die letzte Station des Sessellifts. Eine Frau mit Baby läuft vor uns – unsere Bergführerin schreit die Frau an und bittet sie unverzüglich wieder ins Tal zu fahren, die Höhe würde Iren Baby Schaden. Was anfänglich wie ein Wutanfall aussieht ist absolut korrekt. Mutter und Vater stehen sich unverzüglich in den Sessellift. Die Höhe schadet massiv dem Baby.

Wenige Höhenmeter unter dem Gipfel müssen wir aufhören mit unserem Aufstieg. Unsere Tour endet hier. Ein Schild weist uns auf ein Grenzgebiet zu Georgien zu – wir benötigen Permits um weitergehen zu dürfen. Unsere Bergführerin erklärt uns das wir nicht alle Permits bekommen, vor allem die Amerikaner unterbind wegen der Wirtschafssanktionen gegen Russland. Damit diese nicht allein am Schild warten müssen hat sich das Reisebüro entscheiden das keiner aufsteigen darf. Fair. Aber schade. Nach einer kurzen Pause laufen wir dann zum obersten Sessellift zurück und fahren ins Tal. Der Ausblick belohnt nochmal. Bereits um 13uhr sind wir zurück.

Unsere Unterkunft im Basislager auf gut 3.800m

3.Tag: Basislager und Akklimatisierungs-Tour zum Pastuchov Felsen, 4.800m

Nach dem Frühstück geht es Mit dem Bus etwa 10min zur Elbrus Seilbahn. Jeder von uns bekommt zusätzlich zwei Kanister Wasser zum tragen. Die Auffahrt ist wunderschön und zum ersten Mal können wir die beiden Elbrusgipfel sehen. Sie wirken zum greifen nah und sind doch noch so weit entfernt. Zwei mal müssen wir die Seilbahn wechseln. Es ist ein gewaltiges Stück Weg. Direkt neben der letzten Station liegt unser Lager: Beengende Container mit jeweils acht Betten. Einer davon stellt die Küche dar mit einem kleinem Aufenthaltsraum.

Vorbei an der Diesel-Hütte geht es stetig bergauf zu Pastuchov-Felsen – Den Elbrus Gipfel immer im Blickfeld.

Bereits zwei Stunden später brechen wir auf zum Pastuchov Felsen. Unsere russische Bergführerin ist sehr streng und achtet strickt auf das richtige Equipment. Meine mega dicke Daunenjacke lasse ich im Lager, ein Fehler wie sich später herausstellen wird.

Wir kämpfen uns die Breite Piste hinauf, die immer wieder von lauten Pistenbullys und Schneemobilen befahren wird. Gegen viel Geld kann man sich hier auch ein gutes Stück nach oben fahren lassen. Überall sehen wir anderen Gruppen im Aufstieg. Gebirgsjäger der russischen Armee überholen uns und errichten Hochlager mit Zelten. Die letzte Traverse zum oberen Teil des Pastuchov Felsen ist nochmal sehr steil. Es kostet viel Kraft und Energie, da unsere Gruppe nur schwer einen einheitlichen Rhythmus findet. Die Teilnehmer sind alle unterschiedlich fit und kommen anderes mit der Höhe klar. So halten wir immer wieder an und orientieren uns an den Schwächsten unter uns.

Nach gut 1.000 Höhenmetern endlich am Ziel: Der obere Pastuchov Felsen mit rund 4.700m.

Einer von uns taumelt und hat die Höhenkrankheit die andere ist mit ihren Kräften am Ende. Trotzdem lässt die Bergführerin beide absteigen. Sie brechen mehrfach zusammen. Warum sie kein Motorschlitten zur Hilfe ruft ist uns allen ein Rätsel. So dauert der Abstieg für uns ewig. Kurz vor Sonnenuntergang sind wir wieder im Lager. Ich bin kaputt. Allein der heutige Tag war eine Tortur. Jedoch sind es vom Pastuchov Felsen nochmal acht Stunden Aufstieg. Meine Motivation ist nicht unbedingt an ihrem Höhepunkt. Gute Nacht.

4.Tag: Training und letzte Vorbereitungen

Die erste Nacht auf knapp 4.000m überstehe ich gut. Bis auf ein paar stechende Kopfschmerzen ist alles soweit in Ordnung. Lediglich einschlafen fällt schwer. Mit sieben weiteren Personen in einem Mini-Raum auch sicherlich nicht immer ganz einfach… ?

Den Vormittag verbringen wir heute mit Training für den Gipfeltag. Zuerst  üben wir nochmal die Gehtechniken und absolvieren ein ausführliches Fall- und Rutschtraining (sollte jemand am Berg stürzen und auf einer Traverse hinabrutschen, kann er mithilfe eines Eispickels Halt finden).

Energie tanken am letzten Abend vor dem Gipfelaufstieg: Das herrliche Panorama von unserem Basislager aus gesehen – kurz oberhalb der Seilbahnstation.

Am Mittag bekommen wir die erhoffte Entscheidung von unserer Bergführerin: heute Nacht geht es los zum Gipfel. Laut Wetterbericht soll es sehr sehr windig werden um Mitternacht, weshalb wir aller Voraussicht erst nach 3 Uhr morgens aufbrechen werden. 12 bis 14 Stunden Gesamtdauer, wenn es gut läuft. Jetzt heißt es Sachen packen für den Aufstieg und nochmal schlafen. Daumen drücken.

5.Tag: Aufstieg zum Ebrus Gipfel

Wir brechen sehr spät auf – um genauer zu sein etwa 5Uhr morgens. Das ist relativ spät für einen Gipfel wie den Elbrus. Unsere Bergführerin bestand darauf. Der Wetterbericht sagte starke Winde voraus, die angeblich später in der Nacht abklingen sollten. Sie sollte recht haben. Wir erreichen den Pastuchov Felsen und treffen bereits hier auf erste Gruppen, die nach Abbruch der Tour auf dem Rückweg sind. Es ist um die Minus 20 Grad, extrem stürmisch, kaum Sicht.

Kampf gegen Wind und Wetter: Zwischen Pastuchov Felsen und dem Sattel wird uns alles abverlangt.

Wir erreichen den Sattel bei Sonnenschein. Es ist ein kleines Wunder. Nur wenige Gruppen erkennen wir in der Ferne. Das Glück scheint bei uns zu sein. Ab hier wird es nochmal anstrengend. Steil geht es den Gipfelaufbau hinauf. Der Weg ist durch mehrere Fixseile gesichtert.

Ein Wunder: Die Sonne begrüßt uns kurz vor dem Sattel. Glückliche Gesichter und ein gewaltiger Motivationsschub sind die Folge.

Stück für Stück arbeitet sich unsere 11-Köpfige Kolonne nach oben. Immer wieder müssen wir warten bis unsere Bergführer uns von der einen in die nächste Sicherung klinken. Es ist mühsame und zäh, aber das steige Tempo hilft mir ausreichend Pausen einzulegen.

Seilversicherungen weisen uns den Weg vom Sattel zum Gipfel.

Ich keuche und arbeite mich Meter für Meter nach oben bis zum letzten großen Plateau. Eine kurze Pause dann geht es weiter. Noch 15min Fußmarsch und ich sehe den wunderschönen Gipfel des Elbrus. Kaum zu glauben wie romantisch das Ganze hier oben wirkt. Mit einer gewissen Leichtigkeit laufe ich die letzten hunderte Meter zum Gipfel und bin überglücklich.

Die letzten Meter zum Gipfel.

Kaum zu glauben auf dem höchsten Punkt Europas zu stehen. Nach einem Schneesturm, knapp minus 20 Grad und zahlreichen Höhenmeter ist es geschafft. Der Aufstieg war mitunter eine Qual, aber das lag vor allem an meiner Kondition – mein letzter wirklich hoher Gipfel liegt schon etwas zurück.

Die letzten Meter

Ich bin froh mit so einer tollen Truppe gelaufen zu sein. Es zeigt mal wieder wie wichtig es es ist die richtigen Menschen um sich zu haben, aber vor allem die wichtigen Menschen im Kopf: die Familie. Wenn ich die vielen Stunden Aufstieg auf die Füße meines Vordermanns/fraus starre, ist das fast wie Meditation und meine Gedanken verdichten sich zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben. Fast wie eine Bereinigung des Geistes. Bergsteigen ist und bleibt eine Faszination für mich.

Elbrus-Gipfel: Die Wolken geben den Blick für kurze zeit frei und ich bin der glücklichste mann auf Erden.

6.Tag: Zurück in die Zivilisation

Am Morgen sehe ich die ersten Auswirkungen des Gipfels an meinem Körper. Meine Nase ist rot verbrannt, ein Stück Haut löst sich ab. Am Finger ein paar Schnittwunden und meine rechte Zehe ist mit etwas Blut verkrustet – ist mir nicht aufgefallen. Nach dem Programm vom Vortag geht es heute relativ ruhig zu. Wir essen gemeinsam Frühstück und packen. Bereits um halb elf sitzen wir in der Seilbahn auf unserem Weg zurück ins Tal.

Im Hotel dann die langersehnte Dusche. Es ist unfassbar wie glücklich Wasser machen kann nach Tagen ohne. Den Nachmittag verbringe ich im Hotelzimmer. Internet. Schlafen. Fotos ansehen. Kaffe trinken. Rumliegen.

Am Abend folgt die sogenannte „Wodkaparty“ – wir werden von unserer Reiseoganisation in ein Restaurant eingeladen und trinken Wodka. Mir fällt es schwer zu essen. Bekomme irgendwie nix rein. Das Fussballspiel England vs Kroation krönt den Abend.

7./8.Tag : Ruhetag in Tscheget und Schlammlawine

Wenn die einzige Zufahrts-Straße zum Flughafen plötzlich von einer 300m langen Schlamm-Lawine bedeckt ist und du mit kompletten Gepäck durch den Urwald watest ? Ich sag nichts dazu. Aber nach einem wirklich entspannten und erholsamen Tag in Tscheget, mit einer kleinen Wanderung und einem tollen Abschiedsessen, musste ja noch was passieren. Wir sind aber alle wohlbehalten angekommen. Das kleine Video spricht für sich:

 

 

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