Wenn ich an meine Kindheit denke, fällt mir oft ein großes blaues Meer ein, ein gelber Strand und dazu salzige Meerluft. Wie viele Sommer habe ich an der Ostsee verbracht und bin heute nur noch so selten da. Als Bergsteiger und Wanderer treibt es mich vor allem in die Alpen und die große, weite Welt. Die Ostsee kommt mir da nur selten in den Sinn – viel zu langweilig alles. Na ja, ich habe mich getäuscht und schaute nicht schlecht als ich per Zufall auf den E9 stieß. Wandern auf einem der längste Wanderwege Europas, an den Steilküsten der Ostsee.
Was? Der Weg führt führt von Russland bis nach Portugal? Unglaublich. Aber daran hatte ich noch nicht gedacht, als ich samt Family nach Warnemünde aufbrach. Es hat etwas spannendes ans Meer zu fahren. Es ist ein tolles Gefühl plötzlich vor der blauen Wassermasse zu stehen, die so ungewohnt erscheint und überwältigend riesig. Ich liebe die Berge, ich liebe die Luft dort oben. Aber hier ist sie ganz anders, beinahe beflügelnd.
Wir sind angekommen, auf dem Fischland Darß in dem Städtchen Ahrenshoop. Eine kleine Halbinsel östlich von Rostock. In den letzten Jahren hat die kleine Metropole einen enormen touristischen Aufschwung erlebt. Viele damals noch freistehende Flächen sind jetzt zugebaut. Dennoch, es hat in keinster Weise an Charme verloren. Eine kleine “heile Welt” am nördlichen Ende Deutschlands.
Auf sandigen Wegen wandern wir durch einen kleine Ansammlung von Häusern die mit Reetdächern versehen sind. Ein altes Handwerk ermöglich auch heute noch diese wundervolle, einzigartige Dacharchitektur. Hagebuttensträucher riechen herrlich. Es ist so still, obwohl wir dem Meer so nahe sind. Nur ab und an bricht ein leises Rauschen zu uns durch, wenn der Wind für einen kurzen Moment seine Richtung wechselt. Weit kann das Meer nicht mehr sein. Nach gut 20 Minuten erreichen wir die gewaltige Steilküste Ahrenshoops. Wir blicken auf einen herrlichen Strandabschnitt hinab – unterteilt mit sogenannten Wellenbrechern – das sind riesige, Baumstamm artige Holzpflöcke, die in den Meeresboden gerammt werden und nebeneinander aufgereiht eine riesige Wand ergeben.
Wir halten uns links und wandern die Klippen entlang Richtung Wustrow. Es ist ratsam nicht den Strandweg zu wählen, sondern den Steilküstenweg, da es später keine Aufstiegsmöglichkeiten mehr gibt. Möwen und zahlreiche andere Vögel lassen sich im Wind treiben. Immer wieder biegen wir ins Landesinnere ab und wandern wir über Felder und durch kleinere Wäldchen. Es ist eine zauberhafte Atmosphäre.
Nach guten zwei Stunden gemütlichen wanderns machen wir einen scharfe Linkskurve und biegen in einen betonierten Weg ein. Zuvor müssen wir durch eine Rasenfläche die an ein Rapsfeld mit Aussichtsplattform mündet. Unser Weg führt nun vom Meer weg. Die Allee mit den riesigen Pappeln wirkt nahezu majestätisch. Wir begegnen kaum Menschen und genießen das rauschen der Blätter in den Bäumen.
Angekommen in Wustrow bemerke ich ein Schild. Es markiert den Weg auf dem wir gewandert sind und betitelt ihn als “Europäischen Fernwanderweg E9”. Ich bin erstaunt. Sind wir tatsächlich auf einen internationalen Pfad gelaufen? Ich erinnerte mich an meine Alpenüberquerung, von Oberstdorf nach Meran über den E5. Das war alpines Bergerlebnis. Aber hier, an der Ostsee? Bei genauem Hinsehen entdeckte ich schnell das der Weg tausende Kilometer lang ist, genau genommen 5.000 Kilometer. Er führt von Portugal, entlang des Atlantiks über die Nordsee und Ostsee bis nach Estland. Ein sagenhaftes Projekt. Und ich bin ein Stück davon gewandert. Vergnügt genehmigen wir uns einen Kaffe in der Nähe des zu Ahrenshoop gehörenden Stadtteils Althagen. Hier tut sich uns ein weiteres Highlight auf: Der Saaler Bodden mit seinem zuckersüßen Hafen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Fazit: Der kurze Teilabschnitt des Frnwanderweg E9, von Ahrenshoop nach Wustrow, ist bei gutem wie mäßigem Wetter eine tolle Möglichkeit in die herrliche Küstenlandschaft der Ostsee und des Fischland Darß einzutauchen. Einzuplanen sind samt Rückweg etwa 4h.
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