Im Jahre 2014 habe ich einen Entschluss gefasst, anders als sonst, Russland die kommenden Jahre mit dem Kajak zu bereisen. Nach einigen Gesprächen mit meiner Freundin war der Plan in groben Zügen ausgearbeitet und die Defizite, die es bis zum nächsten Jahr auszugleichen galt, gut definiert. Denn Erfahrung auf dem Gebiet war nicht vorhanden, also nutzten wir die Zeit, um bis zum Sommer 2015 fit genug im Umgang mit einem Kajak zu sein und unsere Ausrüstung so gut es geht zu testen und zu optimieren.

Teil1: Vorbereitungsphase: Wie aus Google-Earth Realität wurde

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Ein Blick in die Zukunft: Die Kajaks im Wasser mitten in der Wildnis. Aber bis dahin sollte es noch ein langer Weg werden.

Tourverlauf: Russland 2015 -Ural, Permskaja Oblast, Sverdlovskaja Oblast Flüsse: Uls, Wishera, Sajgatka Städte: Moskau, Nizhnij Tagil, Severoruralsk, Perm, Tschaikowskij, Izhevsk 14.07 – 11.08

Noch aus früheren Ideenkonstrukten war der Nordural auf dem Radar geblieben. Ziel war es tatsächlich mal abgelegene Regionen zu erreichen und komplett auf sich allein gestellt zu sein. Zwar waren wir öfter mit Rucksack und Zelt unterwegs, aber es ist psychologisch was ganz was anderes, gar keine Verbindung zur Außenwelt zu haben. Diese Erfahrung zu machen war für mich, im Hinblick auf noch bevorstehende Reisen, sehr wichtig.

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Unsere Route im Überblick

Natürlich war es mir klar, dass man an dieser Reise wachsen sollte. Komplett im Outback zu versumpfen war mit unseren Fähigkeiten auch keine Option. Also hat das „worst-case-Szenario“ berücksichtigt, dass wir schlimmstenfalls nur vier Tagesetappen von der nächsten Siedlung entfernt sind. Aus der Vergangenheit wusste ich, dass sich dies auch notfalls zu Fuß bewältigen ließe, schlimmstenfalls mit einem Minimum an Proviant.

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Unser Gepäck

Dass uns das schlechte Wetter vor Ort, quasi von der Außenwelt isolieren würde, das konnte zu dem Zeitpunkt der Planung keiner ahnen. Interessant war auch die Angelegenheit mit dem Gepäck. Immerzu musste ich mir einreden, dass ich nicht der einzige Verrückte auf diesem Planeten bin, der mit 50kg durch die Weltgeschichte umherzieht. Wohlgemerkt ~50kg pro Person. Unsere Kajaks waren zwar mit 14kg vergleichbar leicht, mit Zubehör bewegte man sich jedoch schnell in der Nähe der 20kg Marke. Nur für das Kajak.

Die selbstverständlichsten Transportwege (PKW, Metro, Flugzeug, Zug) mussten neu bedacht werden und der Fluss, auf den es letztendlich gehen sollte, war am “Ende der Welt” nur schwer zu erreichen. Aktuelle Informationen zum Zustand einer alten Holzfällerstraße lagen nicht vor und überhaupt, wer würde uns da hin bringen? Die Kajaks und die Ausrüstung haben wir so kompakt wie möglich gehalten. Was nicht heißt dass man nicht leidensfähig sein sollte 😉

Anreise – Moskau

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In Moskau angekommen erwartete uns die gewohnte Atmosphäre von „keinen Bock auf euch“. Ich hasse das. Moskau habe ich schnell hinter mir lassen wollen. Aber ein Grund weshalb ich Russlandreisen sehr schätze, ist die Tatsache, dass ich sehr schnell den Alltag hinter mir lassen kann. Enge Gänge, Metalldetektoren am Eingang zum Bahnhof (und das mit viel Gepäck) sind ein Traum für jeden Menschen, der die gegenwärtige Situation dazu nutzen will, um sein altes Leben zu vergessen. Zumindest habe ich mir zwei weitere Fragen beantworten können.

  1. Nein, in die Metro kommt man mit soviel Gepäck nicht rein.
  2. Und Ja, zwei Kajaks und zwei Rucksäcke + zwei Menschen haben im PKW Platz finden können.

Ein paar Stunden später sind die Tickets gekauft und wir betreten den Zug Richtung Jekaterinburg. Der Schaffner fragt wo wir her kommen und wo es denn mit soviel Gepäck hin geht? Nach wie vor löst die Antwort „aus Deutschland“ Verwunderung darüber aus, was Touristen aus Deutschland denn hier so treiben? Und wie es sich dort lebt, vor allem im Hinblick auf die Ukraine-Krise. Und warum zum Teufel sprechen wir so gut Russisch!?!? Meine Eindrücke habe ich leicht umrissen, meine Geschichte schnell erzählt. Denn ich möchte nie mit Fremden in eine politische Diskussion verwickelt werden. Das Deutsche an Bord sind macht im Zugpersonal schnell die Runde, dass merken wir im Bordrestaurant als sich ein Betrunkener 2m-Mann zu uns wendet und spöttisch auf „deutsch“ fragt wie wir es hier mögen. Fehlte nur noch der Hitlergruß um die Provokation abzurunden. Wir antworten auf Russisch und er dreht sich, zum Glück, um. Sonst verlief alles ohne Zwischenfälle. Die Landschaft von Wald und Feld ist ein ständiger Begleiter auf unserer Reise von 26h nach Jekaterinburg. Und ich bin um eine weitere Frage leichter.

  1. Ja, die Kajaks passen unter die unteren Betten. Aber nicht in das obere Gepäckfach.

Der (Um)Weg in die Wildniss: Jekaterinburg – Nizhnij Tagil – Severouralsk

Noch vor meiner Reise nach Russland habe ich mich darum bemüht Kontakte mit Einheimischen aus der Region zu knüpfen. Anfangs ging es nur darum eine Anlaufstelle mit Übernachtung zu haben, später haben wir festgestellt das wir so gut miteinander können das plötzlich alles möglich war. Aus einer Übernachtung wurde ein Kennenlernen der ganzen Familie – man muss hier nicht mehr erwähnen, dass es nicht nur bei einer Flasche Wodka geblieben ist.

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Von links nach rechts: Freundin, Ich, Gastgeber

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Vorbereitung auf den Tagesausflug: Unser Transportmittel in die Wildnis

Man machte uns mit diesem und jenem Freunden bekannt, lud uns in die Banja (Russische Sauna) ein, erzählte Geschichten aus dee Region und tat alles dafür, dass es uns gut geht. Die russische Gastfreundschaft ist etwas Wunderbares und bisher war es immer so, dass ich Russland mindestens eine Freundschaft reicher verlassen habe.

Dieser Umstand hat uns schon früher gelehrt das Pläne in Russland besser nicht fein säuberlich strukturiert werden sollten, denn man wird den Zeitplan nie im Leben einhalten können. So war es auch dieses mal. Am 4. Tag wollten wir eigentlich schon am Fluss sein, aber wir waren am Tag 6. noch nicht an Ort und Stelle.

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Ein paar Stunden später

Der Mann unserer Gastgeberin wollte uns einfach nicht gehen lassen und würde am liebsten mitkommen. Aber wenn wir denn schon so frühzeitig aufbrechen wollen, dann könnte man das nicht einfach tun ohne die Höhlen und die „nahe gelegenen“ Wälder gesehen zu haben. Der Tagesausflug stand also fest.

Unser Waldläufer erspäht am laufendem Band etwas aus dem fahrenden Auto und steigt oftmals aus. Nebenbei hat er den effizientesten Axtschlag den ich je gesehen habe.

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Unser freundlicher Begleiter alias “Waldläufer”

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Wilde Höhlen gibt es zuhauf in Russland.

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Picknick auf dem Ahnenstein

Auch die Sorgen um ein geeignetes Fahrzeug, welches uns durch das unwegsame Gelände durch den Wald fahren sollte, wurden schon längst während unserer Ankunft gelöst. Man kennt wen, der kennt wieder wen und darum wird alles klappen. Kurzum – das Auto ist organisiert und es geht los. Wir verladen unser Gepäck in den alten Uaz, liebevoll Уазик (Uazik) genannt. Davor werden noch ein paar Anrufe getätigt – wie es mit dem Wetter dort aussieht – und wir brechen auf.

Westwärts – Auf zum Fluss!

Der Startpunkt des Flusses beginnt ca. 100km-Straße Westlich von „Severouralsk“. Ist somit auf der Europäischen Seite. Dort soll es hingegen.

15_kajak_russland_fluss_wildnis_outdoor_wandernObwohl mir die russische Kultur nicht fremd ist: Da bewegen fremde Menschen Welten, damit zwei Spinner aus Deutschland ihren Urlaub im Ural verbringen können. Das schlimme daran ist, die nehmen für ihre Leistung kein Geld der Welt an. Und Geld ist nun mal das einzige Mittel Unterwegs, um ein Mindestmaß an Dankbarkeit auszudrücken. Neben dem „Danke“ und dem Schnaps.

Die Straßen sind für Russische Verhältnisse gut und so sind wir für 100km 5-6 Stunden unterwegs. Mitunter ist die Straße so eng, dass nur Platz für ein Fahrzeug ist. So sollte es auch kommen: ein PKW vollgestopft mit 6 Insassen quält sich durch den Schlamm und bewegt sich Millimeter für Millimeter vorwärts. Wir stellen unser Auto ab und warten darauf bis die „Einbahnstraße“ wieder frei wird. Weil der Weg stellenweise auf gar keinen Fall von einem PKW befahren werden kann, sehe ich die Insassen aussteigen und das Fahrzeug über arg schwierige Stellen schieben. Verrückt. In diesem Tempo würden die 10 Stunden brauchen, um aus dem Wald herauszukommen. Dem zufriedenen Gesicht der Leute nach, scheint es die aber gar nicht groß zu interessieren wann die aus dem Wald kommen. Wichtig scheint nur die Gewissheit zu sein das sie raus kommen…..Irgendwann.

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Unser Fahrer fragt uns wie wir solche Situationen in Deutschland bewältigen. Ich gebe ihm zu verstehen das es in Deutschland nie zu so einer Situation kommen kann, weil man für alles eine Regel und eine Erlaubnis braucht und es da keine Wälder in solchen Dimensionen gibt. Er stellte für sich fest das wir ein langweiliges Leben dort führen müssen, startete den Motor und fuhr weiter. Unterwegs stellte er sich wohl noch vor wie man in den Wald geht und kein Feuer machen, oder keinen Baum fällen darf….“Ihr habt ein langweiliges Leben“ sagte er nochmal 😉 Ich richtete das Augenmerk auf die Größe von Deutschland und die Einwohnerzahl. „Wenn jeder im Wald ein Feuer machen würde, wäre alles schon eine einzige Feuerstelle“. Gab ich zu verstehen. Er konnte sich das einfach nicht vorstellen, breitete die Arme aus und machte damit eine Geste die mir klar machen sollte, dass der ganze Wald keiner Sau gehören würde. „Mach hier was du willst“.18_Wasserfall_kajak_russland_fluss_wildnis_outdoor_wandern

Ein Grund für das Fortbestehen der Straße sind die Sehenswürdigkeiten, die einige Touristen aus Russland herlocken. жигаланские водопады (Zhigalanskie Wodopady, Wasserfälle vom Zhigalan) und das Plateau Кваркуш (Kwarkusch) sind die bekanntesten Orte die man dort besucht haben sollte. Nur man muss eine Menge Zeit mitbringen, das Areal ist riesig. Einige Übernachtungen oben sind auf jeden Fall Pflicht, um alles sehen zu können. Aber das heben wir uns für ein anderes mal auf. Im zweiten Teil geht es direkt aufs Kajak und unserem offiziellen Startpunkt: Dem Fluss “Uls”.

 

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