Ich hatte ein großes Schreibprojekt vor mir und (ich) brauchte viel Zeit für mich. Dabei stellte ich mir eine einsame Insel vor: mit toller Natur, gutem Essen und der Möglichkeit ab und an wandern zu gehen. Ich sollte von der Kanareninsel La Gomera nicht enttäuscht werden. Eine Insel für Genießer, Aussteiger und Asketen.

Da stand ich nun, fernab des Touristenstroms auf einer winzigen Insel. In einem kleinen, abgeschiedenen Tal, umgeben von riesigen Felsen. Ein paar Möwen krächzen, das Meer rauscht und der Wind pfeift leise in meinem Ohr. La Gomera. Es ist so still hier. Dabei liegen die beliebten touristischen Ziele wie Teneriffa oder Gran Canaria nicht weit entfernt. Die Stille lässt sich vielleicht auch so erklären, dass La Gomera keinen eigenen Flughafen hat. Von Teneriffa geht es mit der Fähre nochmal etwa eine Stunde hinüber nach La Gomera, und von dort nochmal mit dem Bus über gebirgige Straßen. Und ja, die Insel ist sehr klein, gerade mal 17 km breit und etwa 28 km lang. Dennoch erhebt sich die Vulkaninsel auf beinahe 1500 Meter Höhe.

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Blick ins Valle Gran Rey

Mein MP3 Player spielt mir die Musik von “Das Leben ist schön”, eines weltberühmten Kinofilms vor. Eine Träne kullert mir die Wangen hinunter als wir durch den letzten Tunnel kommen und sich vor uns das wunderschön anzusehende “Valle Gran Rey” erstreckt.

Wie ein malerisches Idyll ziehen sich die kleinen Dörfchen entlang des Tales bis hinunter zum Meer, um dort gesäumt von Palmen und riesigen Klippen in einem Steinstrand enden. Noch bevor ich in das Hotel einchecke, schlendere ich verträumt zum Wasser und blicke mich um. Es ist einfach herrlich, und irgendwie auch melancholisch schön.

Im “Hotel Gran Rey” angekommen packe ich schnell meine Sachen aus – es ist eine Art Ökohotel und dafür bekannt, nahezu alles für den täglichen Bedarf selbst herzustellen. Speziell, aber sehr angenehm. Entsprechend sind auch die Hotelgäste: viele Alleinreisende oder Paare die expeditionsfreudig scheinen. Tatsächlich ist der Pool auf der Terrasse kaum in Benutzung. Die meisten sind nach dem Frühstück irgendwo unterwegs in der Natur, hängen in einem der wenigen aber niedlichen Cafés ab oder lesen zurückgezogen in einer der vielen kleinen Hotelecken.

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Mein Schreibplatz

Ich will mit dem Schreiben beginnen und lasse mich vom Meer inspirieren, das am Strand noch hellblau und türkis leuchtet und sich dann immer mehr ins Tiefblaue verfärbt. Ich kann einfach nicht ruhig sitzen, packe meine Sache und schließe mich zwei netten Hotelgästen an, die zufällig auf ihrem Weg zu einer Wanderung sind. “Ein super Einstieg” soll die Tour sein. Na dann mal los.

Barranco de Arure – Einstiegstour zum Wasserfall El Guero (2,5h):

Unsere Tour beginnt ein wenig oberhalb von La Calera, in dem Künstlerdörfchen El Guero. Viele Aussteiger sind in dieses Dorf gezogen, suchen Abwechslung und Inspiration fernab der Menschenmassen.

Unser Startpunkt für die heutige Tour: das verschlafene Dörfchen "El Guero"

Unser Startpunkt für die heutige Tour: das verschlafene Dörfchen “El Guero”

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Auf einem gepflasterten Weg gehen wir durch El Guero und verlassen den Ort auf der gelb-blauen Markierung entlang einer Basaltwand. Nach wenigen Metern steigen wir hinab in ein kleines Bachbett und bahnen uns unseren Weg durch den Urwald. Immer wieder sind kleinere Kletterpassagen zu meistern die die gesamte Tour aber eher spannender machen als anspruchsvoll. Nach gut 90min Wanderung haben wir bereits den Wasserfall erreicht und genießen eine kühle Erfrischung.

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Zurück geht es auf dem gleichen Weg, den wir jedoch etwas abändern: Nach etwa 30min Rückweg sehen wir auf der linken Seite des Weges eine massive Rohrleitung an der sich ein kleiner Pfad entlang schlängelt. Wir folgen diesem von Palmen gesäumten Pfad und später einem alten Wasserkanal bis wir schließlich auf der Hauptstraße zurück zum Ausgangspunkt kommen.

 

Entspannen, schreiben und Delfine beobachten

Ich komme gut mit meinem Text voran. Vormittags schreiben, nachmittags Wanderungen oder wie heute: Eine Fahrt mit dem Schiff hinaus auf den Ozean zum Wale und Delfine bestaunen. Das besondere an La Gomera, und wie bei fast allen kanarischen Inseln ist, dass die Insel von kilometertiefem Wasser umgeben ist. Also kurz nach dem Ufer geht es bereits hunderte Meter tief und sehr steil hinab.

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Diese Besonderheit nutzen vor allem Wale. Sie können dadurch sehr nah an die Insel heran und das vom Fels geschützte und ruhige Wasser nutzen um zu jagen. In diesem Schutz tauchen sie sehr tief hinab um beispielsweise Kraken zu fangen. Auch wenn wir heute weniger Glück haben mit den größeren Meeressäugern, genieße ich die muntere Fahrt mit dem Boot und die um uns springenden Delfine.

Meine aufgeweckten Begleiter die Delfine

Meine aufgeweckten Begleiter die Delfine

Von Arure zum Nebelurwald Raso de la Bruma (3h)

Meine heutige Wanderung führte mich mit meinen beiden Begleitern zum bekannten Nebelurwald. Wir starten an einer kleinen Kapelle in Arure und folgen der weiß-gelben Markierung über die Frontera hin zu einem Stausee – Embalse de Arure.

Vom Nebelurwald keine Spur. Dafür starker Wind

Vom Nebelurwald keine Spur. Dafür starker Wind

Der Weg ist weitestgehend gut einsehbar. Wir gehen die Straße entlang bis wir in einen Fahrtweg abbiegen, direkt in einen Lorbeerwald hinein. Es wird zunehmend nebliger. Vorbei am Picknickplatz Canada de Jorge gelangen wir auf etwa 1070m Höhe zum kleineren Picknick-platz Raso de la Bruma. Die Umgebung ist einfach irre. Überall Lianen und Blattwerk. Umgeben von Nebel und immer wieder starken Windböhen friere ich fürchterlich. Im Vergleich zum Startpunkt unserer Tour ist es hier oben sehr kalt und feucht. Zum Anziehen habe ich lediglich eine leichte Daunenjacke dabei, trotzdem friere ich an den Beinen – diese Tour habe ich deutlich unterschätzt. So bleibt unser Aufenthalt im Nebelurwald nur sehr kurz.

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Zurück am Auto brechen wir zu einer kleinen Inselrundtour auf, die uns zum imposanten “Roque de Agando” führt. Hier entsteht mein Lieblingsbild des Urlaubs, was auch gleichzeitig das Titelbild wurde.

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Heute Abend heißt es ausruhen. Ein kleiner Strandspaziergang und spanische Volksmusik in La Playa sind der ideale Ausklang. Morgen geht es auf La Gomeras höchsten Berg, den Garajonay.

Vom Garjonay durch den Bosque del Cedro nach Hermigua (3,5h)

Diese einzigartige Tour startet auf La Gomeras höchstem Berg, dem Garajonay mit beachtlichen 1.487 m im Herzen der Insel. Es ist sehr nebelig und wie immer kalt. Ob sich eine Tour lohnen wird? Die Sicht ist nahezu null und ich bin kurz davor die Tour zu schmeißen. Mein Fahrdienst will weiterfahren und fragt mich ein letztes mal ob ich mit zurück will. Ich winke ab.

Mein Rucksack ist sinnvoll und durchdacht bepackt, viel habe ich nicht dabei: eine Regenjacke und ein Fleece, sowie drei Liter Wasser und Energieriegel. Der Rucksack hat ein ideales Packmaß – ich mag Minimalismus, das lernt man vor allem beim Höhenbergsteigen, wo es auf jedes Gramm ankommt.

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Wie so oft ist mir das Glück hold und ich treffe auf drei kontaktfreudige Studenten. Ich schließe mich ihrem Vorhaben an bis zum Städtchen Hermigua ins Tal hinab zu wandern. Ein gutes Stück Weg.

So steigen wir zunächst vom Parkplatz Alto del Contadero wenige Meter hinauf zum Gipfel des Garajonay, um ab dann über Trittstufen durch den Lorbeerwald ins Tal zu wandern. Entlang des Cedro Bachs gehen wir über teils moosige Pfade und Forstwege vorbei an der Kapelle Ermita de Nuestra de Lourdes bis hinunter in das Dörfchen El Cedro.

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Am Ende des Dörfchens eröffnet sich uns nun erstmalig der Blick auf Hermigua. Ab hier geht es nun sehr steil bergab. Über Stein und Holzstufen laufen wir langsam hinunter. Rechts neben uns stürzt der Wasserfall Salto de Agua an der Steilwand in die Tiefe. Der Anblick ist umwerfend.

Unten angekommen geht es vorbei an einer Staumauer und den Zwillingsfelsen Los Gemelos, entspannt durchs Tal Richtung Hermigua. Ein Bus bringt mich über San Sebastian zurück ins Valle Gran Rey. Für mich bisher die schönste Wanderung: abwechselungsreich und anspruchsoll.

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Ich sitze wieder auf meinem Balkon und schreibe. Es ist früh am Morgen. Meine Finger fliegen förmlich über die Tasten. Ich lächele. Meine Wanderschuhe sind schlammig, mein Rucksack noch voller Proviant und Outdoorausrüstung der letzten Tage. Und während ich so dasitze merke ich wie glücklich ich gerade bin. Gibt es etwas Schöneres als Arbeit mit Hobby zu verbinden?

La Gomera Foto-Slideshow:

La Gomera - Wandern 2016 / Hiking

 

 

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